Eine andere Welt

14. bis 27. Mai 2018

Nun näherte sich schon die Halbzeit meines kurzen Freiwilligendienstes in Sambia und so traf ich mich Montagmorgen mit Bruce, um die bisherigen sechs Wochen zu evaluieren, auch im Hinblick auf die nächsten Freiwilligen, da der Platz ja neu geschaffen wurde. Am Nachmittag besuchte ich gemeinsam mit Fr Njolo einen Jungen aus dem Jugendzentrum. Während das Jugendzentrum bislang immer offen für jeden war, hatte er sich nun überlegt, eine Mitgliedschaft einzuführen, damit sich die Jugendlichen stärker mit dem Jugendzentrum identifizieren. Momentan registrieren sich die Jugendlichen nach und nach dafür und Fr Njolo wollte sie besuchen, um ihre Lebenssituation kennenzulernen und, wenn möglich, auch mit den Eltern zu sprechen, allerdings kam an diesem Montag nur einer von denen, die er erwartet hatte.

Das Jugendzentrum schloss in dieser Woche immer bereits eine Stunde früher, da am Spätnachmittag eine Novene in Vorbereitung auf „Mary, Help of Christians“ stattfand. „Mary, Help of Christians“ ist sozusagen die Schutzpatronin der Salesianer, weshalb der sich nähernde Namenstag auch der Festtag der Gemeinschaft war. An der Novene habe ich nur ein Mal teilgenommen, da die Messe sowieso auf Bemba war und meine Bemba-Kenntnisse nicht über einfachen Small Talk hinausgehen.

Die im Titel erwähnte „andere Welt“ habe ich am folgenden Sonntag erlebt, als ich mit Fr Musenge nach Kawama, in eine Outstation der Pfarrei gefahren bin. Bevor es losging, haben wir noch ein paar Messdiener und Stellas (die Messdiener sind hier alle männlich, die Mädchen sind dafür Stellas und tanzen im Gottesdienst, wofür sie sich immer auch eine kleine Choreografie überlegen) eingesammelt. In Kawama gab es bislang noch nicht viele Messdiener und Stellas, deshalb wollte er, dass ein paar von hier, die Jugendlichen dort ein wenig anleiten. Der Weg bis zur Outstation dauerte ungefähr eine Stunde, da sie ziemlich weit weg von der Pfarrkirche St. Mary’s und auch weit außerhalb der Stadt Kabwe in einem Dorf ist. Der Weg ging zuerst die ganze Zeit die Hauptstraße entlang, bis wir irgendwann nach rechts eingebogen sind und dann – dann waren wir quasi im Nichts.

Nach ein paar Kilometern auf einer Schotterstraße ging es über Trampelpfade, die im Normalfall offensichtlich nur zu Fuß und nicht mit dem Auto bestritten werden. Die Häuser waren weit verstreut und ziemlich einfach. Dieser Ort ist wirklich noch ein Dorf, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die meisten Leute haben keinen richtigen Job, sondern kümmern sich nur um ihre Farm bzw. Kühe und haben auch noch nie etwas außerhalb des Dorfes kennengelernt. Da die Häuser so weit von einander entfernt liegen, ist es natürlich nicht möglich, eine Schule so zu bauen, dass sie für alle gut erreichbar wäre, weshalb die Kinder zumeist um die 10km bis zur Schule laufen müssen – verständlicherweise beginnen sie daher erst spät, in die Schule zu gehen und nur wenige machen tatsächlich ihren Abschluss irgendwann. An sich ist es für die meisten Leute vermutlich auch das Beste, wenn sie ihr ganzes Leben in diesem Dorf verbringen, denn die Jugendlichen werden immer mehr durch Erzählungen in die Städte gelockt und landen dort schließlich auf der Straße, weil es die versprochenen Jobs doch nicht gibt und sie mit dem Leben in der Stadt, die eine ganz andere Welt als ihr kleines Dorf ist, nicht klarkommen.

Nach dem Gottesdienst
Wir kamen also gegen 9 Uhr bei der Kirche an, während viele Leute erst begannen, sich für die Kirche fertigzumachen, als sie den Pfarrer kommen sahen; die Messe sollte auch erst um 11 Uhr beginnen. Mit der Zeit kamen immerhin ein paar Jungs und Mädchen, die jeweils von den Messdienern/ Stellas ein wenig unterrichtet wurden. Der Gottesdienst war schließlich in Bemba und trotz der kleinen Gemeinde und Kirche ein sehr lebendiger. Der Chor der Out Station hat gesungen und wurde von traditionellen Instrumenten begleitet, die Stellas haben ihre frisch entworfene Choreografie vorgetanzt und bei der Offertory wurden nicht nur Geld, sondern auch allerlei Lebensmittel nach vorne zum Segnen gebracht.

Nach dem Gottesdienst hatte ich noch ein ganz witziges Gespräch mit einem Gemeindemitglied, der zu mir kam und mich gefragt hat, weshalb ich denn nicht länger in Sambia bleiben oder ganz hierher ziehen würde, Europa sei doch so von Russland bedroht, aber Sambia sei so ein sicheres Land. Tatsächlich ist Sambia politisch zwar auch nicht gerade perfekt aufgestellt und der Präsident erfreut sich nicht gerade größter Beliebtheit in der Bevölkerung, doch es ist ein sehr friedliches Land und hatte bislang keinen einzigen Krieg. Generell ist mir hier in Sambia bislang auch schon mehrmals aufgefallen, wie sich das Selbstverständnis bzw. die Sicht auf das eigene Land hier in Sambia von dem in Kamerun unterscheidet. Denn während in Kamerun viele Menschen deutlich gemacht haben, dass sie gerne nach Europa würden und darauf bestanden haben, dass in Europa alles besser sei, werde ich hier häufiger gefragt, wann ich denn wiederkommen würde und ob ich denn nicht für längere Zeit in Sambia bleiben möchte.

Nach der zehntägigen Novene in Vorbereitung auf „Mary, Help of Christians“, fand dieses Fest nun am Donnerstag statt. Den Gottesdienst habe ich leider nicht besucht, allerdings wurde bei uns im Kloster „gefeiert“, indem wir das Abendessen in das Fernsehzimmer verlegt haben, was für mich eher weniger feierlich war. Das normale Abendessen, bei dem wir gemeinsam am Tisch sitzen und uns unterhalten, gefällt mir doch besser, als wenn ich meinen Teller auf den Beinen balancieren muss und nebenbei der Fernseher läuft.

Am folgenden Tag war außerdem der „African Freedom Day“, ein offizieller Feiertag und somit für mich am Vormittag frei. Am Abend waren anlässlich der „Mary, Help of Christians“-Feier die sogenannten Collaborators der Salesianer zum Abendessen eingeladen, das sind quasi die Ehrenamtlichen aus der Gemeinde, die zum Beispiel Jugendgruppen betreuen oder sonst bei der Organisation von irgendwelchen Events mitwirken und alles mitkoordinieren.

An diesem Wochenende fand außerdem ein Chor Camp des English Youth Choir statt, bei dem ich allerdings nur zum Teil dabei war, da ich das ganze Wochenende über von Kopfschmerzen geplagt wurde. Für das Wochenende ist der Jugendchor einer anderen Pfarrei des Bistums angereist, um sich gemeinsam auszutauschen, gegenseitig neue Lieder beizubringen, miteinander Spaß zu haben und schließlich am Sonntag gemeinsam im Gottesdienst zu singen. Ich kam Samstagvormittag dazu, während Fr Musenge einen Vortrag darüber gehalten hat, worauf man achten soll, wenn man die Lieder für die Messe auswählt. Danach haben wir noch ein wenig gesungen, bevor es Mittagessen gab. Am Nachmittag standen dann nicht das gemeinsame Singen, sondern sportliche Aktivitäten im Jugendzentrum auf dem Programm. Während das Oratorium wie an jedem Tag normal geöffnet hatte, haben wir dort gemeinsam Volleyball, Netball und eine Art Völkerball gespielt und hatten damit einfach Spaß zusammen. Am Abend hat der Chor für den Sonntagsgottesdienst geprobt, da war ich allerdings nicht mehr dabei.

Dennoch habe ich am Sonntag mitgesungen, da, als ich die Kirche betrat, mir gleich jemand zugewunken, Platz gemacht und einen Liedzettel in die Hand gedrückt hat. Ich kannte zwar kaum eines der Lieder bislang und es waren auch recht viele in Bemba, aber wenn man gemeinsam singt, kommt man ja doch schnell rein und es geht auch immer mehr um den Spaß und die Stimmung als die richtigen Noten. Nach dem Gottesdienst wurde der Gesang und das gesamte Camp gemeinsam evaluiert, alle genutzten Räume geputzt und zum Abschied –wie das so oft bei Veranstaltungen ist – gemeinsam getanzt.

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