Abschluss

In wenigen Tagen beginnt ein neuer Lebensabschnitt und es ist höchste Zeit, endlich diesen Blog abzuschließen. Eigentlich hatte ich noch ganz viele Post-Ideen, habe die Kirche und Glaube Reihe gar nicht mehr beendet, wollte euch noch mal ein Update zur aktuellen Situation in Kamerun geben, aber gedanklich war ich nicht mehr dort und so fiel es mir schwer, mich nun noch damit zu beschäftigen. Bald bin ich seit drei Monaten schon wieder in Deutschland – das ist genauso lange, wie ich in Sambia war, doch in Deutschland verfliegt die Zeit so viel schneller als im Ausland. Vor einer Woche hatte ich mein Rückkehrseminar und habe dort so mit diesem Jahr abgeschlossen, dass ich nun auch hier damit abschließen und mich gedanklich anderen Dingen zuwenden möchte.

Das Jahr kurz zusammenzufassen ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich und auf die Frage „Wie war’s?“ kann ich eigentlich nur mit einem hilflosen Schulterzucken antworten, denn ein ganzes Jahr ist nie „gut“ oder „schlecht“. Um meine Gedanken und Reflektionen irgendwie in Worte fassen zu können, muss ich das Jahr unterteilen, in die acht Monate in Kamerun und die drei Monate in Sambia.

Auf unserem Vorbereitungsseminar wurde uns diese typische Stimmungskurve in einem Auslandsjahr präsentiert:

 
Demnach steigt die Stimmung in den ersten Wochen/ Monaten im fremden Land bis zu einem Höhepunkt, fällt dann aber auf einen totalen Tiefpunkt (an dem einen das Heimweh überkommt) und pendelt sich schließlich auf einem normalen Level oder etwas darunter ein.

Über diese Kurve haben Eli und ich uns ein paar Mal in Kamerun unterhalten, denn für uns traf sie dort definitiv nicht zu. Viel mehr stieg meine Stimmung an und blieb dann auf einem Höhepunkt mit ein paar kleineren Ausreißern. So unwahrscheinlich es auch klingt, einen richtigen Tiefpunkt oder richtig starkes Heimweh hatte ich in Kamerun kein einziges Mal. Natürlich gab es auch mal schlechte Tage, die Dinge liefen auch mal nicht so wie sie eigentlich sollten und auch ich blieb nicht ganz von Heimweh verschont, aber insgesamt war die Zeit so voller Abenteuer, neuer Entdeckungen und unglaublich schönen Momenten, dass ich keine einzige Sekunde die Entscheidung hinterfragt oder gar bereut habe. Viel mehr erinnere ich mich daran, wie ich fast jeden Tag zumindest ein Mal in der Situation war, irgendwo zu stehen und mir zu denken, wie unwahrscheinlich und verrückt das eigentlich ist, dass ich dort gelandet bin und es mir so gut damit geht.

Meine Stimmung in Sambia ähnelte dann doch dieser Stimmungskurve, denn nach den ersten Wochen, die einfach voller Aufregung über die neue Umgebung waren, fiel meine Stimmung ziemlich schlagartig ab und schaffte es dann auch nur noch ein paar Mal wieder etwas zu steigen. In Sambia habe ich mich oft gefragt, weshalb ich das eigentlich mache und wieso ich mich nicht dafür entschieden habe, wie Eli in Deutschland zu bleiben. Es war schwierig für mich, allein in einem fremden Land zu sein, allein auf der Straße immer aufzufallen und nicht einen Menschen um mich zu haben, mit dem ich mich immer austauschen konnte und der mich auch bei noch so blöden Gedanken verstand. Und nach einer so großen Erfahrung wie Kamerun wieder in einem fremden Land zu sein, habe ich wohl unterschätzt, denn es fiel mir sehr schwer in Sambia richtig anzukommen. Auf der einen Seite steckten meine Gedanken noch oft in Kamerun und auch wenn ich es nicht wollte, verglich ich die beiden Länder immer wieder; auf der anderen Seite waren meine Gedanken oft schon wieder in Deutschland, denn auch wenn ich gerade neu in Sambia war, so waren es eigentlich die letzten Monate meines ganzen Auslandsjahres, in denen ich mich auch schon wieder damit beschäftigte, was danach kommen sollte.
Am Schluss fiel es mir aber doch auch schwer von Sambia Abschied zu nehmen und im Nachhinein bin ich froh darüber, diesen Schritt gegangen zu sein, denn weitergebracht hat mich diese Zeit auf jeden Fall.


So viel zu der großen Frage „Wie war’s?“, die sich einfach nicht richtig beantworten lässt. Was nehme ich nun mit aus diesem Jahr?

In den zwölf Monaten habe ich mich ziemlich verändert. Ich habe mich selbst besser kennengelernt und ausprobieren können, bin viel selbstbewusster und selbstsicherer geworden. Ich bin nun offener für Neues, neugieriger auf die Welt, abenteuerlustiger und mutiger geworden. Dass ich allein nach Sambia gegangen bin, nachdem ich in den letzten Wochen in Kamerun quasi die ganze Zeit mit Eli zusammen war, war ein schwieriger Schritt, doch bin ich dadurch auch sehr selbstständig geworden und habe gelernt, mit dem Alleinsein klarzukommen.

Ich habe einen riesigen Schatz an Erfahrungen mitgenommen, verrückte Erlebnisse, Einblicke in eine zuvor noch fremde Kultur. Ich habe viel gelernt über sowohl die kamerunische als auch die sambische Kultur und bin noch immer dabei herauszufinden, wie einige Verhaltensweisen auch in meinen deutschen Alltag hineinpassen können. Ich habe über Vieles nachgedacht in diesem Jahr, womit ich mich zuvor kaum beschäftigt habe; Kolonialismus und postkoloniale Strukturen, Entwicklungszusammenarbeit, Armut und Reichtum, was es bedeutet, eine weiße Europäerin zu sein; und meine Gedanken dazu sind sicherlich noch nicht abgeschlossen, gerne möchte ich mich weiter mit diesen Themen beschäftigen. Ich habe viele Privilegien zu schätzen gelernt und auch festgestellt, dass es manchmal schwierig sein kann, sich einzugestehen, wie privilegiert man ist und damit auch umzugehen. Nicht nur fließendes Wasser und ständigen Strom, sondern auch kostenlose Bildung, eine Krankenversicherung, Sicherheit im Land und unsere Freiheit habe ich zu schätzen gelernt.
Ich bin mir sicher, dass dieses Jahr mein Leben sehr geprägt hat und dass mein Herz irgendwie immer zumindest mit Kamerun verbunden bleiben wird.


Bevor ich den Post abschließe möchte ich doch noch ein paar Worte zur aktuellen Situation in Kamerun verlieren, wenn ich es nun schon nicht mehr geschafft habe, noch einen Updatepost dazu zu schreiben. Seitdem wir Kumbo im März verlassen haben, hat sich der Konflikt immer weiter zugespitzt; mittlerweile sind vor allem aus der Region South-West (Kumbo liegt in der Region North-West) viele Menschen nach Nigeria geflohen, aber auch im Nordwesten werden immer mehr Dörfer vom Militär oder Separatistengruppen gestürmt und die Menschen zur Flucht gezwungen. In Kumbo selbst ist nichts Größeres mehr passiert, aus der ganzen anglophonen Region aber höre ich mittlerweile fast täglich von Schießereien und Toten. Am 7. Oktober finden in Kamerun die Präsidentschaftswahlen statt, bei denen ein erneuter Höhepunkt der Eskalationen befürchtet wird. Mich beschäftigt das alles sehr, auch die Tatsache, von Deutschland aus nur zusehen und nichts tun zu können. Wenn ihr euch mehr über die politische Lage informieren wollt, lege ich euch diese Artikel ans Herz – leider wird in den deutschen Medien nur sehr spärlich von dem Konflikt berichtet:

https://www.crisisgroup.org/africa/central-africa/cameroon (Berichte zur aktuellen Situation; englisch und französisch; Achtung: Der Konflikt um Boko Haram hat nichts mit der anglophonen Krise zutun, sondern ist ein zweiter großer Konflikt im Norden Kameruns)
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/kamerun-spirale-der-gewalt-anglophonen-regionen (12.06.2018)
https://cloud.amnesty.de/index.php/s/Yq6QMtRnlyFvHPf#pdfviewer (englisch; ausführlicher Bericht von Amnesty International von Juni 2018)
https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-auf-dem-weg-zum-buergerkrieg.1773.de.html?dram:article_id=422100  (05.07.2018)
https://www.dw.com/de/kameruns-langzeitpr%C3%A4sident-paul-biya-will-weitere-amtszeit/a-44668573  (13.07.2018)
http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-konfliktloesung-ist-wichtiger-als-wahlen-a-1585314 (19.09.2018)

Nun bin ich am Ende dieses Posts angelangt und kann immer nur wieder betonen, wie dankbar ich für dieses Jahr bin, mit all seinen Höhen und Tiefen. Nun beginnt der nächste Lebensabschnitt für mich, wieder in einer neuen, wenn auch nicht ganz so fremden Welt, denn morgen ziehe ich nach Berlin, wo ich studieren werde.

Ich bedanke mich bei all denen, die sich mit einer Spende am Unterstützerkreis beteiligt haben und bei euch allen dafür, dass ihr meine Erlebnisse auf dem Blog verfolgt habt. Es hat mir viel Spaß gemacht, von der Zeit zu berichten und es freut mich zu wissen, dass ich nicht nur für mich selbst geschrieben habe. Wer weiß, wohin es mich in Zukunft noch so verschlagen wird und ob ich wieder darüber bloggen werde.

Ich tue mich schwer damit, diesen Post zu beenden, weil ich damit nicht nur den Blog, sondern auch mein Auslandsjahr gewissermaßen abschließe. Was bleibt ist wohl nur ein riesiges Danke – an euch, alle, die mich unterstützt habe, das Bistum, all meine Freunde in Kamerun und in Sambia für diese einzigartige Zeit.

Danke!        Beeri ven feey!        Natotela!

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