Der Rauch, der donnert

11. bis 24 Juni 2018

In der nächsten Woche passierte in Kabwe nichts Aufregendes außer dem Beginn der Fußball-WM. Wie wohl die Menschen überall auf der Welt, sind auch die meisten Sambier große Fußball-Fans und fiebern bei der Weltmeisterschaft ordentlich mit, auch wenn sich ihr eigenes Land nicht qualifiziert hat. Ganz besonders große Fußball-Fans sind auch die anderen bei mir im Kloster, sodass sich seit dem Beginn der WM die Gespräch am Esstisch morgens, mittags und abends hauptsächlich nur noch um ein Thema drehten: Fußball. Für die Spiele ab dem Viertelfinale sollte auch Public Viewing im Jugendzentrum organisiert werden, das habe ich allerdings nicht mehr mitbekommen, da ich Sambia schon zuvor verlassen habe.

In meiner vorletzten Woche in Sambia habe ich mir Urlaub genommen, um das Land noch ein wenig auf eigene Faust zu erkunden. Mein erstes Ziel war Solwezi im Nordwesten Sambias, wo Miriam, eine andere Freiwillige, die ich bereits aus Deutschland kannte, lebt. Die Stadt Solwezi ist ehrlich gesagt nicht besonders spannend oder besonders anders als Kabwe (wobei sie einen Hügel hat, während Kabwe wirklich komplett flach ist…), aber es war schön, Miriam dort zu besuchen und zu sehen, was sie dort so macht. Sie hilft im Cheshire Home mit, das ist eine Art Wohnheim mit Grundschule für Kinder/ Jugendliche (die Grundschule geht hier bis zur siebten Klasse und es ist nicht selten, dass die Kinder erst recht spät beginnen, in die Schule zu gehen) mit körperlicher Behinderung. Da Miriam auch im Kloster, allerdings mit Schwestern, zusammenlebt, habe ich selbst meinen Urlaub im Kloster verbracht. Miriam hat mir ein wenig die Stadt, vor allem die Märkte, und ihr Projekt gezeigt und wir hatten zwei schöne Tage miteinander.

Am Dienstag ging es für mich schließlich erst mal wieder zurück nach Kabwe für eine Nacht, da ich am nächsten Tag in die entgegengesetzte Richtung wollte: nach Livingstone, um die Victoriafälle zu sehen. Da sowohl Solwezi als auch Livingstone mit dem Bus eine Tagesreise entfernt sind, bestand mein Urlaub wieder einmal viel aus Busfahrten und ich merke, wie sich dabei mein Zeitverständnis sehr verändert. Während drei Stunden Busfahrt mir zuvor noch lang vorkam, habe ich nun das Gefühl, da bin ich quasi schon am Ziel, und zehn Stunden im Bus zu sitzen, ist überhaupt kein Problem mehr für mich – ich schlafe, schaue aus dem Fenster, höre Musik oder unterhalte mich auch mal mit jemandem und schon ist die Zeit um.

Auf der Rückfahrt von Solwezi hatte ich zum Beispiel eine sehr interessante Begegnung mit einem Geschäftsmann aus Lusaka, mit dem ich lange darüber diskutiert habe, woran es liegt, dass die afrikanischen Länder wirtschaftlich einfach nicht in Schwung kommen. Er meint, es liegt vor allem daran, dass die Menschen oft zu groß denken würden, anstatt klein zu beginnen und dann immer gleich viel in eine Sache investieren, die sie nach zwei, drei Jahren wieder aufgeben müssen. Besser wäre es, so meinte er, wenn sich die Leute auf die kleineren Dinge besinnen würden, erst mal nur ein paar Erdnüsse verkaufen, dann vielleicht Tomaten hinzunehmen, und so weiter… Tatsächlich habe ich nicht nur von ihm, sondern auch schon in anderen Gesprächen gehört, dass die Menschen auf dem Land, die „nur“ ihre angebauten Lebensmittel verkaufen, oft relativ reich (gemessen am Standard des Landes natürlich) sind, ihnen das allerdings nicht bewusst sei bzw. sie nicht wüssten, wie sie mit dem Geld umgehen sollten. Dazu kommt natürlich, dass sie sich außerhalb der Städte nicht um Wohnraum sorgen müssen, denn Land gibt es mehr als genug, und auch Essen ist kein Thema, da der Boden fruchtbar ist und sich die Menschen ihr eigenes Essen anbauen können.

Mittwochmorgen machte ich mich also auf den Weg in entgegengesetzte Richtung, zuerst mit den Bus von Kabwe nach Lusaka (die Hauptstadt Sambias) und danach von dort aus nach Livingstone. Dort habe ich bei Helene, einer Mitfreiwilligen von Miriam, die dort ebenfalls bei Cheshire arbeitet, geschlafen. Bei ihrem Projekt handelt es sich allerdings um eine Grundschule ohne Wohnheim für geistig behinderte Kinder und Jugendliche.

Da Helene vormittags normal gearbeitet hat, bin ich einfach allein ein wenig durch die Stadt gelaufen und muss sagen, dass mir Livingstone sehr sympathisch ist. Als einzige touristische Stadt in Sambia habe ich sie mir voller vorgestellt, allerdings war sie recht ruhig und irgendwie gemütlich – vermutlich, weil die meisten Touristen außerhalb der Stadt in Lodges untergebracht sind.

Freitagnachmittag war ich gemeinsam mit Helene im Museum von Livingstone, was die Geschichte Sambias (einschließlich der Steinzeit, denn auch zum Beispiel in Kabwe wurden Knochen eines Urzeitmenschen gefunden) erzählte. Besonders interessant im Museum fand ich eine subtile Kritik am Kolonialismus, die sich besonders in der Ausstellung „Our village – their town“ wiederfand. Dort war zuerst in einem Raum ein traditionelles Dorf nachgebildet und die wichtigsten Eckpunkte wurden erklärt (Feuerstelle, Haus, ...). Im nächsten Raum wurde dann eine Stadt dargestellt und dort (mit kritischem Unterton) gezeigt, was von den Weißen hergebracht wurde.

Der eigentliche Grund für meinen Besuch in Livingstone waren allerdings natürlich die Victoriafälle, die ich erst am Samstag gemeinsam mit Helene besuchte. Mit dem Minibus machten wir uns am Morgen auf den Weg, da die Fälle etwa 15 Minuten von der Stadt entfernt sind und erlebten dabei schon eine kleine Überraschung, als am Wegesrand auf einmal Elefanten neben uns auftauchten. Je näher wir den Fällen bzw. der Grenze zu Simbabwe kamen, desto mehr Affen sprangen außerdem um uns herum.

Impressionen von den Viktoriafällen



Die Victoriafälle sind einer der größten Wasserfälle der Welt und somit ein beeindruckendes Naturschauspiel. Benannt hat sie David Livingstone, der sie als erster Europäer schriftlich festgehalten und der damaligen Königin von England zu Ehren benannt hat. Der Name in der lokalen Sprache ist weitaus passender, denn hier heißen sie Mosi-oa-tunya, was übersetzt „Der Rauch, der donnert“ bedeutet – denn diese Wasserfälle sind wahrlich donnernder Rauch. Schon von weitem ist der Sprühnebel, der von den fallenden Wassermassen ausgeht, zu beobachten und natürlich verursacht so viel rauschendes Wasser auch ordentlich Lärm.



Anscheinend habe ich mit Mitte Juni die perfekte Reisezeit für die Fälle erwischt, denn sie waren nicht so voller Wasser, dass der Nebel alles verdeckt hätte, aber sie waren auch noch lange nicht ausgetrocknet. Helene hat beides bereits erlebt – und wie diese Fälle wirklich einmal im Jahr ausgetrocknet sein sollen, kann ich mir, obwohl sie mir Fotos gezeigt hat, kaum vorstellen. Aber das zeigt, wie heftig eine Regen- und eine Trockenzeit sind. Wir haben uns zuerst die Fälle eher von weitem angesehen und ein paar Fotos gemacht, bis wir dem Weg, der einigermaßen parallel an ihnen entlang führt, gefolgt sind. Dort ist der Sprühnebel der Fälle so gewaltig wie heftige Regenschauer, sodass man bis auf die Unterhose nass wird und ich mein Handy sicherheitshalber nicht mitgenommen habe. Da die Fälle nur zu 2/3 in Sambia liegen und zu 1/3 in Simbabwe, konnte ich sie nie in voller Größe bestaunen, die beste Sicht dafür soll wohl von simbabwischer Seite aus sein.

 

Zurückgekommen und einmal die Klamotten gewechselt (Helenes Erfahrung folgend hatten wir uns Wechselsachen mitgenommen), machten wir uns noch auf den Weg zum Boiling Pot, einem großen Wasserstrudel in einer Bucht. Eigentlich dachten wir, wir könnten dort schön auf den Steinen in der Sonne sitzen und uns ein wenig trocknen lassen, jedoch ging der Sprühnebel der Fälle bis hierhin; zwar nicht mehr so, als dass wir ernsthaft nass geworden wären, aber doch wie ein leichter Regenschauer. Außerdem wollten wir uns einmal ins Niemandsland auf die Sambesi-Brücke begeben. Diese Brücke verbindet Sambia und Simbabwe, gehört allerdings zu keinem der beiden Länder. Von dort hatte man auch noch einmal eine wahnsinnige Sicht auf die Schluchten, um die Fälle herum, durch die der Sambesi fließt.

Am Abend sahen wir uns gemeinsam mit anderen Deutschen noch das WM-Spiel Deutschland gegen Schweden an, womit sich mein Urlaub dem Ende neigte. Früh am nächsten Morgen ging es für mich wieder in Richtung Kabwe, wo nun meine letzte Woche in Sambia anbrach. Diese Woche Urlaub und einmal aus dem Kloster richtig rauszukommen und allein unterwegs zu sein, tat mir noch einmal wirklich gut, da ich so doch noch die wirklich schönen Seiten von Sambia entdeckt habe. Als ich am Sonntagmittag am großen Busbahnhof in Lusaka stand und wartete, bis mein Bus nach Kabwe fuhr, wurde ich doch, obwohl ich mich die meiste Zeit in Sambia schon sehr auf mein Zuhause in Deutschland gefreut hatte, traurig, wenn ich daran dachte, dass ich das Land bald verlassen würde. Und ich genoss es noch einmal, Puff Puff (bzw. in Sambia wird es Frittas genannt) zu essen, der afrikanischen Musik und dem lauten Stimmengewirr zu lauschen und einfach dieses Lebensgefühl, das für mich bezeichnend geworden ist, wahrzunehmen.

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