Elternbesuch und unsere letzten Tage in Kumbo

05. bis 23. März 2018

Früh am Morgen machten wir uns am Dienstag auf nach Bamenda, um dort meine Eltern, die für zwei Wochen meine neue Heimat besuchen wollten, abzuholen. Für sie war es vermutlich ein besonders witziger Anblick, mich nach acht Monaten das erste Mal wieder zu sehen, während ich gerade auf einem Bike sitzend den kleinen Flughafen erreiche. Vom Flughafen aus fuhren wir direkt nach Bafut (ein Ort in der Nähe von Bamenda), um dort den Fonpalast zu besichtigen. Das war ganz interessant, aber auch nicht so wahnsinnig anders als die Paläste, die wir schon kannten. Nach einer Nacht in Bamenda erreichten wir am Mittwoch Kumbo.
auf dem Markt in Kumbo

Am Freitag fand eine Wallfahrt der gesamten Diözese nach Ndu statt, an der wir auch teilnahmen. Diese findet jedes Jahr an einem Freitag in der Fastenzeit statt und dabei pilgern alle vom Stadtkern aus zu einem Feld, auf dem dann ein großer (und langer!) Gottesdienst stattfindet. Ich bin kein besonders großer Fan von solchen Massen-Events und gerade bei Gottesdiensten machen sie für mich auch oft Vieles kaputt und haben für mich dann nicht mehr so viel mit Beten und Glauben zu tun, allerdings habe ich mich an diesem Freitag doch sehr wohl gefühlt, weil ich gespürt habe, wie ich in Kamerun angekommen bin. Immer wieder habe ich Leute getroffen, die ich kannte, mit denen ich mich etwas unterhalten konnte, beim Tanzen zur Kollekte habe ich die Blicke um mich herum nicht mehr so gespürt und wenn, dann habe ich doch wieder jemanden gesehen, den ich kannte und der mir freundlich zugelächelt hat – alles in allem habe ich mich einfach nicht mehr fremd gefühlt.

Diözesane Wallfahrt in Ndu
Doch genau an diesem Abend folgte der Anruf unserer Mentorin aus Deutschland, der unserer Zeit in Kumbo ein Ende setzte, als wir erfuhren, dass „weltwärts“ den anglophonen Teil Kameruns für Freiwillige gesperrt hatte. Was folgte, waren erst einmal Entsetzen und Verwirrung – doch für wie übertrieben wir diese Maßnahme auch halten und wie unzufrieden wir damit auch sind, wir konnten doch nichts daran ändern. Also blieb uns nun nur, die letzten Tage noch in vollen Zügen zu genießen und nicht durch schlechte Laune auch noch zu verlieren.

"unsere" Kirche in Kumbo - Bamkika'ay
Am Samstag besuchten wir gemeinsam mit Barry und den Freiwilligen aus Romajay den Wasserfall, an dem wir schon ganz am Anfang unserer Zeit einmal waren. Nun, am Ende der Trockenzeit, sah er ganz anders aus als im Juli (mitten in der Regenzeit) und wir konnten sogar hinter den Wasserfall gehen ohne, um unser Leben fürchten zu müssen. Am Abend hatte Therese für uns alle gekocht, damit meine Eltern auch einmal Fufu probierten, und wir aßen gemeinsam mit ihr und ihrem Vater. Dabei lud uns der Vater ein, uns am nächsten Tag den Palast zu zeigen, da er den Fon persönlich kannte – allerdings eher als Vater als als König, da der Fon seine Kinder ins St. Augustine’s College schickte.

am Wasserfall



Doch anstatt den Palast zu besichtigen, erwartete uns am nächsten Tag eine neue Überraschung, den Thereses Vater wollte uns nicht bloß herumführen, sondern organisierte ein Treffen mit dem Fon. Das benötigte erstmal ein wenig Vorbereitung, denn mein Vater musste als Mann eine bestimmte Kappe tragen und als Gastgeschenke mussten wir einen Kasten Getränke und ein lebendiges Huhn besorgen, aber dann konnte es auch schon losgehen. Wir wurden in einen Raum geführt, der geschmückt mit Bildern und traditionellen Statuen und Stoffen war und an dessen einer Seite sich der Thron des Fons befand. Mir war das ganze Treffen reichlich unangenehm, weil ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, nur in meiner Rolle als Weiße wahrgenommen und dem Fon vorgeführt zu werden. Als wir dann endlich das Treffen hinter uns hatten und uns auf dem Rückweg befanden, wurden wir jedoch wieder zurückgerufen, da wir der Höflichkeit halber noch etwas essen mussten.
Sonnenaufgang in Belo


Für die nächste Woche hatten meine Eltern geplant, in Kamerun noch mit uns gemeinsam etwas herumzureisen und dies auch schon gebucht. Da es für Eli und mich aber ja unerwartet die letzten Tage in Kamerun waren, fuhren wir nur für zwei Tage mit ihnen nach Belo (ein Ort in den Bergen) und Bamenda und verabschiedeten uns dann schon wieder, während sie allein weiterreisten.
Die nächsten Tage verbrachten wir nun damit, Freunde zu besuchen und Besuch zu empfangen. Wir verabschiedeten uns vom Chor, in dem wir zwar sowieso nie richtig regelmäßig waren, aber zu dem wir dennoch irgendwie dazugehörten, lernten von Flora noch wie man Puff Puff zubereitet (Rezept folgt), kochten Fufu und Njama Njama zum ersten Mal allein in einer Feuerküche (bei Therese, während diese in der Schule war und einen Test schrieb – ob sie sich dabei so gut konzentrieren konnte?) und verbrachten eine letzte Nacht im Kloster in Romajay, um uns auch gebührend von den Schwestern zu verabschieden.

Puff Puff frittieren bei Flora

die Kapelle in Romajay

zum Abschied spielten wir den Schwestern ein Lied
Am Mittwoch, unserem vorletzten Tag in Kumbo, fand unsere Verabschiedungsmesse im Jugendzentrum statt. Da sie an einem Werktag vormittags war, konnten nicht viele von unseren Freunden da sein, sondern es waren vor allem die Jugendlichen des Jugendzentrums, denen wir Computerunterricht gegeben hatten. Für mich war es dadurch nicht so richtig der wichtige Tag der Verabschiedung, dennoch war es ein schönes Fest und ich bin dankbar dafür, dass so viele Leute unsere Zeit in Kamerun mitbegleitet haben. Anlässlich dieser Verabschiedung haben Eli und ich auch eine Rede gehalten, in der wir unter anderem die zehn Kumbo-Gebote aufgestellt haben:

The Kumbo Commandments (im englischen Original)

  1. People don’t move in the rain.
  2. Eat real food for breakfast.
  3. A car can never be completely full, there is always space for something more.
  4. Walk slowly to stay clean.
  5. Leave from the road!
  6. One of the most important Small Talk questions is: “What did you eat?”
  7. When you think you are late, you may still be the first.
  8. Nothing tastes without Maggi.
  9. Mass can last three hours or more, because you have to dance for your God.
  10. A quotation from the first one explaining us the most important word here: “If someone is walking up a hill, while you are sitting in a car, you say: ‘Ashia’.”

Die Kumbo Gebote (übersetzt)

  1. Die Leute laufen nicht durch den Regen.
  2. Esse richtiges Essen zum Frühstück.
  3. Ein Auto kann niemals ganz voll sein, es ist immer noch Platz für mehr.
  4. Lauf langsam, um sauber zu bleiben.
  5. Geh von der Straße!
  6. Eine der wichtigsten Small Talk Fragen ist: „Was hast du gegessen?“
  7. Wenn du denkst, du bist zu spät, bist du vielleicht dennoch der erste.
  8. Nichts schmeckt ohne Maggi.
  9. Die Messe kann drei Stunden oder länger dauern, denn du musst für deinen Gott tanzen.
  10. Ein Zitat von der erste Person, die uns das wichtigste Wort hier erklärte: „Wenn jemand einen Hügel hinaufläuft, während du im Auto sitzt, sagst du: ‚Ashia‘.“
bei unserer Verabschiedung gemeinsam mit Fr Francline

Nun war also unser letzter Tag in Kumbo gekommen, unerwartet früh und so stillschweigend, dass ich kaum realisieren konnte, dass es unser letzter Tag dort war. Wir mussten noch einige Sachen vom Markt abholen, doch wie das an solchen Tagen wohl immer ist, regnete es am Morgen und wir konnten erst am Mittag auf den Markt. Am Nachmittag kamen Flora und Ludovic vorbei und unsere Tür blieb die ganze Zeit geöffnet für alle Nachbarn. Therese und Ludovic blieben über Nacht bei uns, halfen uns beim Packen und Aufräumen und wir genossen die letzten Stunden gemeinsam, redeten und lachten lange und viel. Ludovic musste früh am Morgen gehen, weil er eine Klausur in der Schule schrieb, aber Therese verbrachte den ganzen Morgen mit uns und auch Edith kam noch dazu. Sie blieben da, bis wir im Auto sitzend das Gelände verließen, kaum realisierend, dass wir in diesem Haus mit dieser Nachbarschaft wohl nicht noch einmal leben würden.

Erst in der Dunkelheit erreichten wir Douala und trafen dort noch Didimus, Floras Mann, der dort lebt und arbeitet, um uns auch von ihm zu verabschieden, bevor es schließlich an den Flughafen ging. Das Gefühl im Flugzeug war kaum zu beschreiben, denn natürlich freute ich mich nach acht Monaten auch wieder auf Deutschland. Auf meine Familie (gut, meine Eltern waren erst gerade noch in Kamerun gewesen), meine Freunde, ein mausfreies Haus,… Aber dieser Moment war einfach zu früh, das Abenteuer Kamerun noch nicht abgeschlossen. Die Freude fühlte sich falsch an und der Gedanke daran, dass in Kumbo gerade der Weltjugendtag gefeiert wurde, von dem uns von Beginn unseres Jahres an immer wieder erzählt wurde und den wir nun verpassten, schmerzte. Und dennoch, als das Flugzeug zum Landeanflug in Frankfurt ansetzte, da war sie dann da, die Vorfreude auf Zuhause und die Gewissheit, dass das Leben noch immer ein Abenteuer bleiben kann – und dass wir beide wiederkommen werden in unser zweites Zuhause, sobald wir können.

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